Kreuzweg meditativ

Station 1: Jesus wird zum Tode verurteilt 

Die wohl berühmteste Gerichtsszene der Weltgeschichte – vor rund 2000 Jahren. Im Zentrum steht jener Mann, dessen Botschaft die Liebe ist, mit Mantel, Herrscherstab (Zepter) und (Dornen) Krone zum öffentlichen Gespött freigegeben. Rechts neben ihm sitzt sein Richter, im weißen Kleid der Unschuld, in dem er seine Hände gewaschen hat. Seine ausgestreckte Rechte zeigt auf Jesus. „Seht, Euer König!“ Hört man nicht die Menge toben? Und schaut man näher hin – sind das nicht rheinhessische Gesichter, Nachbarn von nebenan? Und ob der Richterthron des Pilatus wirklich so ausgesehen hat, wie der alte Lehnstuhl in Mettens Zimmer? 

Bei der Ausstellung „Aufbruch nach 1945“ zum 40-jährigen Bestehen des Landes Rheinland-Pfalz im Jahre 1987 war Jean Metten u.a. mit diesem Bild vertreten.

Station 2: Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern 

Das Urteil ist gesprochen. Es ist hoher Vormittag. Das wird ein heißer Tag! Die Luft beginnt bereits zu flirren. Schwer krümmt sich der Mensch unter der Last seines Kreuzes. Hilflos. Trostlos. Allein auf dem weiten Erdenrund…

Station 3: Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

Brütende Hitze. Die Last wird zu schwer. Ein kurzer Schwindel, ein Straucheln – so wird es gewesen sein. So muss es gewesen sein, auch wenn die Evangelien nichts davon berichten. Wie soll ein Mensch sowas ertragen können, ohne zu stürzen?

Station 4: Jesus begegnet seiner Mutter

So eine Begegnung, so ein Zuspruch, das kann wieder aufrichten. Schon wird der Himmel klarer, schon wird das Kreuz etwas leichter. Auch davon steht nichts in der Bibel, aber seine Mutter wird ihn doch wohl begleitet haben auf seinem letzten Gang! Sie blickt ernst, sie blickt traurig, aber sie ist gefasst. Sie weiß, wenn er wollte….  Aber sein Blick sagt ihr, er wird sein Kreuz weitertragen, er wird diesen Weg zu Ende gehen.
 

Station 5: Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz zu tragen

Es muss schneller gehen! Morgen ist Paschafest! Da kommt dieser Landarbeiter gerade recht! Das Unkraut muss warten – hierher und mit angepackt. Soldaten kennen kein Pardon! Also, die Harke in die Linke und mit der Rechten das Kreuz geschultert. Gemeinsam trägt es sich deutlich leichter!

Station 6: Veronika reicht Jesus das Schweißtuch

Die namenlose Frau, die Jesus vom Blutfluss heilt (Markus 5, 23ff), wird in apokryphen Texten Berenike genannt, was in der lateinischen Übersetzung Veronika bedeutet. Die Legende verlegt ihre Begegnung mit Jesus auf den Kreuzweg, wo sie nicht sein Gewand berührt, sondern ihm ein Schweißtuch reicht, damit er sich das Gesicht abwischen kann. Dankbar kniet sie dabei vor ihm nieder.
 

Station 7: Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz

Musste es nicht so kommen? Wo doch die Luft förmlich brennt! Es wird wohl eine kurze Ohnmacht gewesen sein. Golgotha ist nicht mehr weit.
 

Station 8: Jesus begegnet den weinenden Frauen

Wieder eine Begegnung! Wieder wird der Kopf klarer, der Himmel blauer. Wieder sind es Frauen, die um Jesus weinen. Metten entnimmt sie seiner dörflichen Umwelt, ihre Kinder kommen gerade – den Ranzen noch auf dem Rücken – aus der Schule zurück.

Weint nicht um mich – ich muss diesen Weg gehen, für euch und eure Nachkommen. Kreuz und Jesus, Jesus und Kreuz, die Konturen verschwimmen…

Station 9: Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

Dreimal wird er gefallen sein. Drei ist eine heilige Zahl! Sein Körper liegt über dem Kreuz, fast zum Fragezeichen gekrümmt. „Vater, wenn es möglich ist, dann lass diesen Kelch an mir vorübergehen“, hat er noch am Vorabend auf dem Ölberg gebetet. Und doch, seine Lippen scheinen das Kreuz fast zu küssen?!  

Station 10: Jesus wird seiner Kleider beraubt

Die Würfel sind gefallen! Praktisch nackt steht er da. Diebische Freude auf dem Gesicht des Soldaten. Heute war das Glück ihm hold! Des Soldaten? Ist das ein römischer Soldat?

Auch mit diesem Bild war Metten auf der Landesausstellung 1987 vertreten (siehe Station I). 

Station 11: Jesus wird ans Kreuz genagelt

Kurzärmeliges Hemd, kurze Jeans, Kniestrümpfe – lediglich der Stahlhelm kennzeichnet den Soldaten. Sind wir es etwa selbst, die ihn täglich ans Kreuz schlagen?

Station 12: Jesus stirbt am Kreuz
 

Die Finsternis, die verdunkelte Sonne – Metten hat diese Minuten dutzende Male festgehalten. Und in seinem Kreuzweg hat er die Evangelien ergänzt: Eine Frau kniet vor dem Gekreuzigten, umschlingt das Kreuz mit ihren Armen. Es ist ersichtlich nicht seine Mutter, die da bis zuletzt unter dem Kreuz ausgeharrt hat …

Für Jean Metten, streng katholisch sozialisiertes Kind seiner Zeit, war es wohl Eva, die „Urmutter“ und „Sündenböckin“ aller namhaften Kirchenlehrer, die da unter dem Kreuz schuldbewusst ihr „maxima Culpa“ beklagt. Jedenfalls vor dem II. Vatikanischen Konzil hätte sicher keiner der Kleriker, die ihre innerkirchliche Macht allein von ihrer (ungenutzten) Männlichkeit ableiten, dieser Deutung widersprochen. Warum aber sollte man in dieser Frau heute nicht viel eher Maria Magdalena sehen?  Im Unterschied zu Petrus war sie jedenfalls vor Ort (vgl. Station XIV).

Maria 2.0 lässt grüßen!  

Station 13: Jesus wird in den Schoß seiner Mutter gelegt

Wer wird nach Michelangelo noch an dieser Szene zweifeln? Doch Mettens Pieta hat nicht die bezaubernde Gestalt, die jungfräulichen Gesichtszüge, den erhabenen Faltenwurf jenes grandiosen Vorbildes, - den Blick auf ihn geheftet und mit dem sicheren Griff einer Rettungssanitäterin hält sie den Leichnam ihres Sohnes davon ab, ihr aus dem Schoß zu rutschen. So realistisch hatten sich die seinerzeitigen kirchlichen Würdenträger den erwarteten Kreuzweg für St. Georg nicht vorgestellt.    Ein bisschen mehr Michelangelo hätte es schon sein dürfen! Oder?

Station 14: Jesus wird in das Grab gelegt

In aller Eile wird er in ein paar Leinentücher gewickelt – das Paschafest naht! 

Die Frauen werden die Salbungen nachholen müssen. Nach dem Fest werden sie wiederkommen. Am frühen Morgen des ersten Wochentages nach dem Sabbat. Sie werden die Ersten sein … !

Station 15: Jesus steht von den Toten auf

Ohne die Auferstehung war für Jean Metten der Kreuzweg unvollendet, allein aus ihr erhielten Jesu Leiden und Sterben ihren Sinn. Diesmal steht der Auferstandene als Sieger im Mittelpunkt! Die Spitze seines Zeigefingers symbolisiert die göttliche Allmacht. Die mächtigen Grabplatten werden gesprengt. Der Himmel ist gesättigt von Blau, das Kreuz, in allen vorangegangenen Stationen unverzichtbarer Schwerpunkt, ist zum Symbol in der Siegesstandarte mutiert. 

Als einziges Bild seines Kreuzwegzyklus hat Metten die „Auferstehung“ nicht signiert – sie blieb unvollendet.